OZG gefloppt: Fehlende Behördendigitalisierung verspielt Vertrauen
Oktober 24, 2022Mit dem schon 2017 verabschiedeten Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte eigentlich bis Ende dieses Jahres die Mehrheit von behördlichen Dienstleistungen für die Bevölkerung digital zugänglich gemacht werden. In der Realität ist in den vergangenen fünf Jahren jedoch viel zu wenig passiert.
Das zeigt die im Auftrag des Bundesinnenministeriums veröffentlichte Studie „E-Government Monitor 2022“.
Auf unserem Blog berichteten wir im zweiten Quartal über ähnlich lautende Einschätzungen des Bundesrechnungshofs und des Normenkontrollrats. Beide Institutionen bewerteten eine Realisierung der Digitalisierungsvorhaben im vorgegebenen Zeitrahmen schon damals als unrealistisch.
Dies wird durch die aktuellen Ergebnisse bestätigt: Die überwiegende Zahl deutscher Bürger nutzt Verwaltungsdienstleistungen, an denen sie faktischen Bedarf haben, weiterhin analog und nicht digital.
In dieser Zahl manifestiert sich die „digitale Nutzungslücke“, also die Lücke zwischen dem Bedarf an einer Verwaltungsleistung und deren Online-Nutzung. Am weitesten auseinander ist diese Lücke bei der Dienstleistung „Wohnsitz-Ummeldung“, die immer noch zu 79 Prozent analog abgewickelt wird.
Einkommensteuererklärung ist meistgenutztes Online-Angebot
Die Online-Abgabe von Einkommensteuererklärung über das bekannte Elsterportal ist nach dem E-Government Monitor der bis dato größte Digitalisierungserfolg der Regierung: Über die Hälfte der Bürger gibt diese Erklärung mittlerweile online ab.
Viel kommt danach aber nicht mehr – vor allem bei der digitalen Identifizierung (eID) hängt Deutschland trotz Milliarden-Investitionen, zuletzt durch das Corona-Konjunkturpaket 2020, massiv zurück. Dabei ist eine zuverlässige digitale Identifizierung die Grundlage, damit Bürger und Verwaltung rechtmäßig miteinander kommunizieren können.
Die digitale ID wird hierzulande noch kaum eingesetzt: In Deutschland nutzen in 2022 gerade mal 10 Prozent der Personalausweisinhaber die digitale Ausweisfunktionen, gerade mal ein Prozent mehr als 2021. Besonders beeindruckend ist hier der Vergleich mit Österreich mit 64 Prozent und der Schweiz mit 63 Prozent Nutzung.
Verwaltungsversagen frustriert die Bürger
Die fehlende digitale Leistungsfähigkeit des deutschen Staats wird mit den Jahren ein zunehmendes Vertrauensproblem weit über die eigentlichen Behörden und Verwaltungen hinaus. Wenn eine Demokratie im Alltag zunehmend als dysfunktional empfunden wird, dann sinkt auch die Zustimmung zu ihr.
Nach dem E-Government-Monitor empfinden 54 Prozent der Menschen in Deutschland den Kontakt mit staatlichen Stellen als sehr anstrengend. Drei Viertel der Befragten glauben nicht, dass die Verwaltung bis Mitte des Jahrzehnts wirklich digital wird und nur 14 Prozent gaben an, dass der Staat „ihr Leben leichter“ mache.
Die Verwaltungen vor allem in den Ländern und Gemeinden haben die Bevölkerung immer mehr aus dem Fokus verloren und orientieren sich an internen Digitalisierungsvorgaben, von denen außerhalb der Amtsstuben jedoch niemand etwas mitbekommt.
Das Maß an verschenktem politischen und wirtschaftlichen Potenzial ist hier kaum noch abzusehen.
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