Krankenhäuser in Deutschland sind weiterhin zu wenig digitalisiert. Kommunikationswege verlaufen analog, vorhandene digitale Angebote werden kaum genutzt (Cyforwards berichtete). Das milliardenschwere Krankenhauszukunftsgesetz soll das eigentlich ändern – allerdings ist die große Mehrheit der Krankenhäuser schon mit der Einforderung der Fördermittel überfordert.
Mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro soll das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) die Digitalisierung deutscher Kliniken fördern. Davon stellt der Bund 3 Milliarden Euro zur Verfügung, weitere 1,3 Milliarden kommen von den Ländern. Mit dem Geld sollen sowohl die Patient*innen höheren Nutzen, Komfort und Sicherheit erhalten und gleichzeitig die klinischen Versorgungsprozesse optimiert werden.
Kliniken sind digital überfordert
Das zur Verfügung stehende Geld müssen allerdings die einzelnen Häusern individuell abrufen. Die meisten hiesigen, vor allem die mittleren und kleineren Kliniken sind mit der IT-seitigen Umsetzung Geldabrufens aus dem Krankenhauszukunftsgesetz massiv überfordert. Die bestehenden Verwaltungsprozesse in den Häusern können die dafür benötigten, digitalen Prozesse schlicht nicht mehr abbilden – nicht zuletzt, weil ihnen die dafür nötigen IT-Fachkräfte fehlen.
Nicht abgerufene Gelder wandern wieder zurück in die Kassen von Bund und Ländern. Dies hindert den Gesetzgeber jedoch nicht daran, anspruchsvolle Fristen an die Krankenhäuser vorzugeben. So müssen bestimmte, gesetzlich geforderte Digitalisierungsmaßnahmen bis 2025 durch die Kliniken implementiert werden. Bei Nicht-Einhaltung drohen Abschlagszahlungen von bis zu 2 Prozent auf alle Patientenabrechnungen.
Vier von zehn Kliniken von Insolvenz bedroht
Die Probleme beim Geldabruf und die drohenden Abschlagszahlungen bekommen noch eine zusätzliche Brisanz, da bereits rund 40 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland Ende 2022 vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit stehen, wie der NDR berichtet. Und die nächste Bewertung des digitalen Reifegrades deutscher Kliniken, auf der die Fördermittelvergabe mit basiert, steht bereits im kommenden Jahr 2023 an. Vor diesem Hintergrund neue Fachkräfte zur Bewältigung der Digitalisierungsaufgaben anzuwerben, ist eine sehr große Herausforderung.
Pointiert zusammengefasst: Kliniken, die jetzt schon digital überfordert sind, benötigen mehr Digitalisierung, um die Fördergelder, die Ihnen zu mehr Digitalisierung verhelfen sollen, überhaupt abrufen zu können – und nicht noch zusätzlich monetär abgestraft zu werden. Hier beißt sich die sprichwörtliche Katze in den Schwanz, da für eine Veränderung Prämissen vorausgesetzt werden, die doch durch die Veränderungen erst geschaffen werden sollen.
Vergabeprozess zu knapp zwei Dritteln abgeschlossen
Über die konkrete Vergabe der KHZG-Fördermittel entscheidet das Bundesamt für soziale Sicherung (BAS), basierend auf den eingehenden Anträgen. Stand Dezember 2022 sind insgesamt 6070 Anträge über die 4,3 Milliarden Euro eingegangen. Von denen bewilligte das Bundesamt für soziale Sicherung allerdings erst rund 2,7 Milliarden Euro, also knapp zwei Drittel. Über Anträge in Höhe von 1,6 Milliarden Euro liegt also noch keine Entscheidung vor – und das knapp vor Weihnachten.
Für die Zeit nach 2025 sind ebenfalls noch viele Fragen offen. Die Gelder aus dem KHZG funktionieren als „Anschubfinanzierung“ zur Auflösung des vorliegenden Digitalisierungsstaus, aber nicht als langfristige Finanzierungsmaßnahme. Bleiben weitere Fördergelder aus, so müssen eventuelle Sanktionen, laufende Kosten und digitale Entwicklungsaufwände von den Häusern aus eigener Tasche finanziert werden. Das wird viele Krankenhäuser an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringen.
Über Cyforwards:
Die Cyforwards GmbH bietet eine integrierte Beratung in den Themenschwerpunkten Executive Search und People & Organizational Development. Sie besetzt Führungs- und Fachpositionen überwiegend in der IT-Managementberatung. Der Fokus liegt auf den Branchen Public Sector & Government, Transportation & Mobility sowie Healthcare. Als Transformationsberater und -begleiter unterstützt Cyforwards Individuen und Organisationen, ihre Ziele zu erreichen und Potenziale zu entfalten. Benjamin Wittekind gründete das Unternehmen 2018 in München.
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