Transportation & Mobility

LNG – Zeitenwende für den Transportsektor? Philip Maximilian Braunschweig im Interview

Liquified Natural Gas, kurz LNG, ist aktuell in aller Munde. Die Bundesregierung hat angesichts der bestehenden Gas-Abhängigkeiten vor allem von Russland einen kurzfristigen massiven Ausbau der Importe von verflüssigtem Erdgas angekündigt.

Dabei kommt vielen Menschen zunächst das Heizen der eigenen vier Wände in den Sinn. Jedoch geht es um mehr als das.

Philip Maximilian Braunschweig ist Head of Business Development & Sales bei der Vigo Bioenergy GmbH. Das Unternehmen etabliert seit 2015 ein deutschlandweites Netz von LNG-Tankstellen.

Im Interview mit Cyforwards spricht der Experte für Energiewirtschaft über die jüngsten Entwicklungen im Bereich LNG, Chancen im Transportsektor und die Digitalisierung in der Branche.


Herr Braunschweig, wie bewerten Sie die Entscheidung der Bundesregierung, zukünftig mehr LNG zu importieren?

Ich halte das für eine sehr gute Entscheidung, die lange überfällig ist. Die vergangenen Regierungen haben es verschlafen, für eine gut diversifizierte Energieversorgung in Deutschland zu sorgen und sich zu sehr auf die Zuverlässigkeit Russlands beim Import preisgünstigen Pipelinegases verlassen.

Das ist weniger ein Vorwurf als ein Appell an die neue Bundesregierung, dies zu ändern. Mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz wurden nun die Weichen gestellt, diese Situation schnell zu ändern und unabhängiger von Gasimporten aus Russland zu werden.

Was bedeutet das für Deutschland?

Für Deutschland heißt dies, dass mittelfristig eine diversifiziertere Gasversorgung als noch heute zur Verfügung steht, was sich auch auf die Verbraucherpreise auswirken wird. Mehr Gasangebot, egal woher, heißt sinkende Preise.

Dass sich die Entwicklung mehrerer LNG-Importterminals negativ auf die Geschwindigkeit der Energiewende auswirkt, halte ich für eine schwierige Aussage. Deutschland wird für viele Jahre noch auf Erdgas angewiesen sein. Das steht auch im Koalitionsplan der neuen Bundesregierung. Wir müssen uns nun entscheiden, wer es liefert.

Was steckt hinter dem Ansatz von LNG als Kraftstoff für den Schwerlastverkehr?

LNG ist auf unter -160° C heruntergekühltes Erdgas, das bei diesen Temperaturen flüssig wird. Es handelt sich quasi um den Siedepunkt von Methan. Dieses Herunterkühlen kostet natürlich viel Energie. Man kann nun diesen hohen Energiegehalt nutzen und das LNG als Treibstoff verwenden.

Somit hat es einen ähnlich hohen Energieinhalt wie Diesel und ist perfekt nutzbar als alternativer Treibstoff im treibstoffintensiven Schwerlastverkehr. Die Fahrzeug- und Tankstellentechnologie ist vorhanden und ökonomisch wie ökologisch heute umsetzbar.

Wo steht Liquind heute und wie bewerten Sie den Weg des Unternehmens bis dato?

Wir haben uns als kompletter Newcomer mit Startup-DNA zum Co-Marktführer in unserem Marktbereich hochgearbeitet. Das hat sehr viel Mühe gekostet. Seit letztem Herbst gehören wir nun zur Vitol Gruppe, einem global agierenden Rohstoffhandelshaus.

In diesem neuen Zuhause sollen wir einerseits weiter stark wachsen, andererseits schnell den Switch hin zu Bio-LNG bewerkstelligen. Unseren Treibstoff kann man nämlich auch quasi 100% erneuerbar erzeugen, in dem man Biomethan aus dem Output von Biogasfermentern produziert und dann ebenso zu wie bei fossilem Erdgas verflüssigt.

Man erhält Bio-LNG, das über die gleichen Tankstellen verteilt und in den gleichen Fahrzeugen zum Einsatz kommen kann. Bis 2025 wird unser Treibstoffportfolio somit 100% renewable sein.

Wie groß ist das Potenzial von LNG als Antriebstechnologie für die Transport- und Logistikbranche?

Wir erwarten in den nächsten 10-15 Jahren eine Teilung des Marktes in Bio-LNG und Diesel. Dass der Diesel bei schweren Nutzfahrzeugen, insbesondere bei Sonderfahrzeugen, weiterexistieren wird, ist klar.

Andere Antriebsformen wie Elektroantriebe oder Wasserstoff wird es in Nischenanwendungen oder im innerstädtischen Verteilverkehr geben, nicht jedoch bei meinen Kunden, die mit 40t Gesamtgewicht Stahl oder Getränke durch das Land fahren oder unser Obst und Gemüse aus Andalusien nach Deutschland bringen.

Ist LNG mehr als eine Brückentechnologie auf dem Weg zu einer vollständigen Elektrifizierung?

Meiner Meinung nach wird es langfristig eine Abkehr von der einen Antriebstechnologie (nämlich Diesel) hin zu einer je nach Einsatzart geeigneten Antriebsart geben.

Wasserstoff (gasförmig und flüssig), LNG, CNG, der Elektroantrieb und auch der klassische Diesel werden hier ihre Rolle finden.

Welche Rolle spielen digitale Technologien für Liquind?

Unsere Kunden, vor allem Logistikunternehmen, sind in diesem Bereich hochentwickelt und -spezialisiert, da in dieser Branche ohne Digitalisierung und ein gutes IT-System nichts mehr läuft.

Das Tankstellengeschäft ist hier etwas klassischer aufstellt. Natürlich gibt es die Tankautomaten und Fahrerapps, aber das ist eher Branchenstandard.

Für die Zukunft erwarten wir bei der Entwicklung von Multifuel-Tankstellen eine verbesserte Konnektivität mit den Fahrern und Fahrzeugen, da aufgrund reduzierter Reichweiten und damit zeitlichen Engpässen (insbesondere bei CNG und Elektroantrieben) Tank- und Ladevorgänge besser abgestimmt sein müssen.

Und wo sehen Sie weiteres Potenzial für das Geschäftsmodell?

Wir möchten unseren Kunden wie oben beschrieben einen Multifuel-Ansatz für ihre verschiedenen Einsatzprofile anbieten.

Das wird nur mit intelligenter Steuerung der Tank- und Ladevorgänge funktionieren.

Welche Qualifikationen und Erfahrungen sind nötig, um in der Energiewirtschaft erfolgreich zu sein?

In der Energiewirtschaft schadet es nicht, gewisses Branchenvorwissen mitzubringen und eine Faszination für (kritische) Infrastrukturen, Logistik, das Funktionieren globaler Rohstoffmärkte zu hegen.

Zudem sollte man sich darauf einstellen, dass sich ständig ändernde legislative Entscheidungen massive Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell haben können. Das ist das spannende, aber auch anspruchsvolle der Energiewende.

Für unsere Liquind muss man einfach Teamspirit, trotzdem sehr eigenverantwortliches Arbeiten, Verkaufstalent und Lust auf Berlin mitbringen!

Was unternimmt Liquind, um seine Wachstumsziele zu erreichen?

Das kann ich kurz und knapp beantworten:

  • Eine wahnsinnig große Motivation des Teams
  • Viel Reiserei (Startups entwickelt man nicht vom Bürostuhl aus)
  • Viel Kickern, wenn man im Büro ist

Herr Braunschweig, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!


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Über Cyforwards:
Die Cyforwards GmbH bietet eine integrierte Personalberatung in den Themenschwerpunkten Executive Search und People & Organizational Development. Sie besetzt Führungs- und Fachpositionen überwiegend in der IT-Managementberatung. Der Fokus liegt auf den Branchen Public Sector & GovernmentTransportation & Mobility sowie Healthcare. Als Transformationsberater und -begleiter unterstützt Cyforwards Individuen und Organisationen, ihre Ziele zu erreichen und Potenziale zu entfalten. Benjamin Wittekind gründete das Unternehmen 2018 in München. 

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Bild: Patricia Kalisch

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